Auf Facebook heiße ich anders… Über Facebook Klarnamen, Pseudonyme und Stürme in Wassergläsern

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„Ich will auf Facebook nicht mit meinem echten Namen“, sagt mir die Dame am Telefon. „Das ist mir unangenehm. Ich will nicht, dass mein Ex-Mann mich da finden kann.“ Ich kenne diese Sorge. Nicht, weil ich einen Ex-Mann habe. Aber ich kenne noch die Idee, dass man im Internet mit einem Webnickname agiert. Nicht mit dem Namen, der im Personalausweis steht. Vielleicht kommt diese Zeit bald wieder zurück oder wir machen es einfach selbst. 

Diese Idee kommt aus den Anfangstagen des Internet. Noch in den 1990ern war es üblich sich in Chaträumen und Formen mit Pseudonymen wie „MadMaxxi33“ und „VinnieTHEpoo“ hin und her zu schreiben. Damals war es eher auffällig, mit seinem bürgerlichen Namen aufzutreten. Im Vergleich zu heute war das Netz damals leer. Wo sich heute 76,8 % der Deutschen im Internet bewegen, waren es noch 2001 nur 37% (Daten: Statista) Vermutlich war man in den 1990ern noch auffällig, wenn man „dieses Internet“ auch hatte. 

x-beliebige Adressen

Dann wurden es immer mehr Menschen im Netz. 2004 trat Facebook auf den Plan. Anfangs nur für Studenten, die E-Mail-Adressen von bestimmten Universitäten nachweisen konnten. Da waren die vollen Namen nur noch eine Kleinigkeit. Dann wurde der bürgerliche Name – genannt Klarname – als verpflichtend in die Hausregeln geschrieben, in die wenig geliebten AGBs. 

Facebook heute ist Fantasie-Namen-Land.

Heute sind alleine 1,4 Milliarden Menschen auf Facebook. Beim blauen Riesen kann sich heute mit jeder x-beliebigen E-Mail-Adresse anmelden. Genauso kreativ sind die Namen, die mir aus meiner Freundesliste entgegen blinken. Da werden Vornamen aufgeteilt in Vor- und Nachnamen. Alternativ auch gerne mal vertauscht, abgekürzt oder mit einem Fantasie-Rufnamen erweitert. Das mag Facebook nicht gerne, denn es steht immer noch in den Regeln, dass Klarnamenpflicht herrscht. Zudem ist ein Pseudonym-Account meist nicht so lukrativ in der Werbung. So schätzt Mimikama, dass gut 25% aller Facebook Nutzer nicht ihren Klarnamen verwenden, sondern ein Pseudonym. Seinen Freunden sagt man dann: „Auf Facebook heißt ich anders.“ Danach werden Namen buchstabiert, wie früher Telefonnummern. 

Weniger Hass und Spam durch Klarnamen?

Durch den Zwang zum “echten Namen” sollen sich weniger Menschen zu Hasstiraden, Fake-Kommentaren und Spam-Attacken formieren, wird immer wieder gesagt und geschrieben. Dass das leider nicht wahr ist, kann ich auch aus eigener Quelle berichten. Denn wer Bock hat, mir schlimme Dinge zu wünschen, findet mich dank meines Klarnamens sofort. Und es ist relativ egal, ob mir ein gefälschter Name den Tod wünscht, oder eine echte Person. Wer aufgrund solcher Drohungen Anzeige erstattet, wird gerne mit einem Schulterzucken bedacht. “Ja, nehmen Sie das halt nicht so persönlich, is ja nur im Internet.” und “Ja, dann dürfen Sie nicht auf Facebook sein.” spielen bei mir in der Hitliste ganz oben. 

Vor einigen Tagen habe ich in einem Forum gelesen, dass man Drohungen und ähnliche Äußerungen über Bildschirmfotos festhalten sollte. Erst den Kommentar und dann auch das Profil der Person sollen dokumentiert werden. Das sollte dann zur Polizei gebracht werden. Ob das allerdings bei einer Anzeige wirkt, kann ich hier und heute nicht sagen. 

Facebook scheint auf dem rechten Augen blind.

Es bei Facebook zu melden hilft nur wenig, wie auch kürzlich Kollegen vom Blog Kraftfuttermischwerk feststellten: Nacktheit in einem Foto ist für Facebook leichter festzustellen und zu verbannen, als eine Schippe braunes Gedankengut, versteckt in Sprache. Wer nämlich die Sprache nicht spricht, versteht auch nicht, warum es gemeldet wurde. In den USA ist zudem die Rechtslage anders. Dass in dieser Szene oft Fake-Namen verwendet werden, muss ich nicht betonen. Obwohl es offenbar Menschen gibt, die solche Kommentare mit ihrem bürgerlichen Namen veröffentlichen und dann völlig erstaunt sind, dass sich ihre Arbeitgeber spontan von Ihnen trennen.  

Freizeit-Trolle haben keine echten Namen.

Ähnliches gilt für Trolle, wenngleich die meisten hier einfach nur einen Groll auf einen speziellen Widersacher im Netz haben. Ein Troll ist ein Mensch, der seine Energie darauf lenkt, negative, provozierende und nicht sachbezogene Äußerungen von sich zu geben. Konkret heißt es, dass sie ihren Widersachern dann jeden Tag böse Kommentare auf die Seiten schreiben, sie in Bewertungen verreißen und viel Wut transportieren. Überraschenderweise ist jeder dieser Troll-Accounts mit einem Fake-Namen ausgestattet. 

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Konto wegen Fake-Name von Facebook geschlossen. 

Auch auch diesem Grund löscht bzw. schließt Facebook jetzt immer wieder Konten von solchen nicht ganz echten Namen. Weil die sind vergleichsweise leicht zu erkennen. Die Inhalte zu unterscheiden – so clever sind sie einfach (noch) nicht. Würde Facebook bei den Pseudonym-Konten hart durchgreifen, so gibt es Schätzungen, dass gut 33% aller Accounts in Europa damit verschwinden würden. Jeder, der allerdings einen Namen trägt, der auch im Wörterbuch steht, kann auch als Fake eingestuft werden, wie ich schon von einer anonymen Quelle gehört habe. Aber ebenso kenne ich Menschen, die seit 7 Jahren einen Account mit Pseudonym zu ihrem eigenen Schutz betreiben und noch nie ein Thema mit einer Sperrung hatten.

Ein Exempel für widerspenstige Pseudonym-Nutzer_innen

Der Fall einer jungen Frau aus England ging sogar durch die Presse: Sie hat ihren bürgerlichen Namen zu Ihrem Facebook-Pseudonym geändert, um einen eingescannten Ausweis an Facebook zu schicken. Denn wenn der Facebook-Account gesperrt wird, fordert der US-Konzern eine Ausweiskopie, um festzustellen, ob der Name echt ist. Kurioserweise kennt jetzt die ganze Welt ihren vorherigen bürgerlichen Namen, den sie aus Facebook heraus halten wollte.  Trotz Namensänderung hat sie Ihren Account mit all den gesammelten Freunden nicht mehr zurück bekommen. Vermutlich um ein Exempel zu statuieren. Vielleicht um Nutzer_Innen mit nicht ganz echtem Namen dazu zu bewegen, doch den bürgerlichen Namen anzugeben. Auch Drag Queens mit ihren Künstlernamen im privaten Personenprofil wurden mit dieser Methode schon von Facebook rausgeworfen.   

Anordnung an Facebook aus Hamburg: Egal.

Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar hat nun eine Datenschutzanordnung erlassen, die sagt, dass Pseudonyme auf Facebook legal sind. Schlicht, weil die Klarnamenpflicht gegen das Telemediengesetz in Deutschland verstößt und es gelte, weil Facebook in Deutschland Werbeanzeigen verkauft. Facebook selbst zeigte sich „Enttäuscht“, dass das Thema schon wieder am Tisch ist, obwohl Datenschützer erst vor 2 Jahren in einem ähnlichen Fall vor Gericht verloren hatten.  Übrigens ist es laut deutschem Pass- und Personalausweisgesetz verboten, eine digitale Kopie eines Ausweises zu speichern. Da würden mir noch einige Unternehmen einfallen, die genau das von Ihren Nutzer_innen verlangen. Facebook „kratzt“ diese Anordnung jedenfalls wenig und setzt weiterhin seine Klarnamenpolitik durch. Der nette Herr Caspar hat vermutlich einen weiteren Sturm im Wasserglas produziert, wie schon Dr. Thilo Weichert

Unternehmer_innen auch gefährdet.

Die nette Dame am Telefon muss also mit der Unsicherheit leben, dass Ihr Pseudonym-Account eventuell eines Tages gesperrt wird. Einfach so. Ohne Vorwarnung. Ich habe hier keine gute Lösung für sie. 

Mir als Unternehmerin kann das auch passieren. Ich bin mit meinem Klarnamen in Facebook. Weil ich gefunden werden möchte. Von Freunde, Familie und Geschäftspartnern. Aber manchmal tauchen dort Blogbeiträge in meinem privaten Profil auf, die ich geschrieben habe. Und ich freue mich wie ein Kind darüber, dass meine Arbeit sichtbar und wahrnehmbar ist. Laut den Facebook AGBs ist das aber auch verboten. Ich darf meinen privaten Account nicht für geschäftliches verwenden. Ebenso ist es verboten, dass ich über meinen privaten Account mit meinen Geschäftspartnern chatte. Es kann also sein, dass ich mich morgen nicht mehr einloggen kann, weil Facebook diesen Artikel als offenes Eingeständnis der Missachtung sieht. Das ist okay für mich. 

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Kein Recht auf Facebook.

Warum? Weil es kein „Recht auf Facebook“ gibt. Es ist ein Unternehmen das entscheiden kann, wer rein darf, und wer nicht. Wie in der Disco. Solange es nicht meine Disco ist, kann ich raus geworfen werden. Aber wenn Facebook das tut, dann werde ich nicht meinen Namen ändern, jammern und schluchzen. Ich werde mir einfach einen neuen Account zulegen. Wieder mit meinem Namen. Als Sicherheitsmaßnahme haben alle Unternehmensseiten und Gruppen, die ich verwalte, noch einen zweiten Admin. Meine Daten lade ich mir auch hin und wieder runter. Obwohl man dafür sich jetzt auch verifizieren muss. 

Was sagst Du dazu? Wie gehst Du damit um? Schreib’ es mir gerne in einen Kommentar.


Herzlichst,

Sandra

Fotos: Rodion Kutsaev via unsplash.com, Ryan McGuire via Gratisography 

Ich bin Sandra Staub. Ex-Journalistin, Marketing-Ausbrecherin, Autorin von ‘Facebook für Frauen’ und ‘Emoji Boost‘. Unternehmerin & Macherin von UnternehmerInnen im Web. Als Agenturinhaberin versorge ich mit meinem Team Unternehmen mit Social Media-Leistungen, Blogposts & E-Mail Marketing.